Kunst und Körper II: Augen
Ist das Sehen nicht die Mutter unserer Wahrnehmung? Und wenn das so ist, brauche ich die Augen für den künstlerischen Schreibprozess?

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von Angelina

Wenn man mit geschlossenen Augen ein paar Worte schreibt, merkt man, dass man eigentlich gar nicht sehen muss, um zu schreiben. Ich finde die Erfahrung erstaunlich.

Beim Schreiben sehen, kommt mir aber entgegen. Ich visualisiere Worte seit jeher und so sind sie auch umgekehrt ein starker Trigger für mich. Stehen sie geschrieben, erzeugen sie Sprache in meinem Kopf. Sogar visuell, als geschriebenes Wort. Für mich steht am Anfang also immer das Wort (nein, das hat mit der Bibel nichts zu tun). Aus einem Wort entsteht Sprache und daraus entspinnen sich meine Geschichten.

Leider kann ich nicht immer sehen. Es ist weniger wie bei James Joyce, dessen Sicht insgesamt bergab ging und der auch Ulysses nur noch diktieren konnte: A Portrait of the Artist as a Patient: the eyes of James Joyce. Es ist eher wie bei Nietzsche in jüngeren Jahren: La Gaya Dementia – Nietzsche als Patient; immer wieder verschlechtert sich die Sicht temporär und ich kann kaum lesen oder schreiben. Nur die Gründe sind andere. Mal ist es eine Verletzung am Auge, mal ein unentdeckter Vitamin B12 Mangel und mal schlicht weil meine Augen nicht wollen. Sie haben ihr Eigenleben genauso wie meine Handgelenke. Wenn ich Glück habe streiken beide synchron und ich kann in der Zeit was anderes machen. Spazierengehen oder etwas ähnlich Schonendes.

Nietzsche hat es übrigens mit einer Schreibkugel probiert, je blinder er wurde. Hier das Video von der Klassik Stiftung Weimar, das einfach alles sagt: Nietzsches Schreibkugel. Das würde einem Kind der heutigen Zeit aber leider auch nicht weiterhelfen.

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