Kunst und Körper III: Schultern
Für mich war 2021 das Jahr der Schulter. Eigentlich hatte ich mir meinen Jahresrückblick als Künstlerin anders vorgestellt, aber der Körper drängt sich einfach immer auf.

Datum

von Angelina

Geboren wurde ich 1989 im Jahr der Schlange, einem Tier, das nicht mal Schultern hat. Und das ist gut für sie, denn fehlende Körperteile können nicht verletzt sein. An mir ist noch alles dran und so geschah es dann auch: Pünktlich zum Jahreswechsel wachte ich am Neujahrsmorgen mit Schmerzen in der rechten Schulter auf. Innerhalb weniger Tage entwickelte sich daraus das denkbar schmerzhafteste, was in einer Schulter passieren kann: eine Bursitis. Es folgten grauenhafte Nächte, in denen ich schmerzerfüllt im Sitzen schlafen musste (!) und kaum ein Auge zubekam. Tagsüber war ich bei den meisten Handgriffen auf meinen Mann angewiesen. Ich fühlte mich wie ein Kleinkind, konnte nicht schreiben und mit der linken Hand schmierte ich mir die Butter äußerst ungalant aufs Brot.

Ja, wie konnte das passieren? Schuld waren tatsächlich: Bücher. Das ist die gesteigerte Form von Künstlerleiden, wenn man sich sogar an einem Kunstgegenstand verletzt. Nach dem Tod meines Vaters haben wir zwischen Weihnachten und Silvester seine gigantische Bibliothek, die mehrere tausend Bücher umfasst, sortiert und ausgeräumt. Über Stunden zog ich schwere Bücher aus unteren Regalreihen, bis der Schleimbeutel die Nase voll hatte.

Nach einigen Monaten war die Entzündung auskuriert, aber ich bin ab jetzt immer anfällig für eine Bursitis. Als der Spuk also vorbei war, folgten einige glückliche, schmerzfreie Wochen, bis…. meine Schultern erneut anfingen zu schmerzen, dieses Mal beidseitig. Ich hatte die Ehre, die Bekanntschaft mit der Bizepssehnenentzündung zu machen. Sie nistete sich ein, führte zu schmerzvollem Ziehen und wurde drastisch verschlimmert durch Arbeit am Computer oder Handy. Mir blieb also nur die Offline-Welt. Ich ging spazieren, hörte Hörbücher, da ich kein Buch halten konnte und dachte über meine Schultern nach. Sie hatten mich schon wieder reingelegt. Dabei brauchte ich Vitamin B12 Spritzen und eine Impfung, die ich auf keinen Fall in meine von monatelangen Schmerzen degenerierten Schultern haben wollte. Meine Muskulatur näherte sich dem Nullpunkt an, während mein Mann durch die tatkräftige Bemutterung von mir natürlich deutlich muskulöser wurde. Ich konnte nichts mehr tragen, keinen Einkauf, selbst ein Rucksack drückte an den falschen Stellen.

Trotzdem schaffte ich es in diesem Jahr zu schreiben. Ich konnte meine Arme zwar nicht heben oder belasten, aber für ein bis zwei Stunden pro Tag konnte ich mit dem Laptop auf den Knien arbeiten. Deshalb schließe ich das Jahr ab mit einem fast fertigen Manuskript und einem leichten Ziehen in den Schultern, das mittlerweile dazu gehört.


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